A-LIVENESS

„To transcend the limits of the body we need to let go of what a body should look like, what it should do, how it should live“ (Russell Legacy, Glitch Feminism, S. 146).

Ich wurde mit dem Rechercheprojekt A-LIVENESS im Förderprogramm DIS-TANZ-SOLO durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland gefördert.

 

In A-LIVENESS beschäftigte ich mich v.a. mit dem Konzept eines digitalen Tänzer:innenkörpers und seinem* Potential, materielle Grenzen zu überwinden und etwaige Erwartungen an einen „Look“ zu irritieren. Der inhaltliche Fokus liegt zum einen in einem queerfeministischen Ansatz begründet, der aus der Erfahrung einer eigenen professionellen Tanzkarriere heraus die Ideale und Erwartungen kritisch befragt, mit denen Tänzer:innenkörper in der Ausbildung wie auch auf der Bühne konfrontiert sind. Zum anderen in der gesellschaftlich höchst relevanten Frage, wo der menschliche Körper mit seiner Liveness aufhört und seine technische Reproduktion z.B. in Form eines Abbilds beginnt. Seit 2020 fand ein Großteil sozialer Interaktion im Internet statt, Videobilder schrieben sich als Repräsentation von Körpern in unsere Sehgewohnheiten ein.

Es wurden unterschiedliche Formen des Motion-Capturing und damit einhergehende (digitale) Erscheinungsformen des Körpers in Bewegung untersucht. Die Recherche umfasste sowohl optische (Kameraerfassung), elektromagnetische (Sensorik) als auch elektromechanische (Exoskelett) und akustische (Ultraschall) Verfahren. Dabei interessierte Selina besonders der Punkt, an dem die „realitätsnahe“ Imitation/Abbildung des Körpers (z.B. durch Glitches) gestört wurde. Es wurde ein enormes choreografisches Potential in sog. „Errors“ und „Glitches“ erkannt: Sie brachten Bewegung in einen vorhersehbaren Ablauf und überraschten durch ein unkontrollierbares Ergebnis, indem sie den Prozess störten, blockierten, aber auch einen Impuls für eine neue Art des Verlaufs setzten. Der Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit eines Resultats entspringt das Potential, Interferenzen sichtbar machen zu können und damit nicht (nur) auf etablierte Kategorien und Definitionen zurückzugreifen, innerhalb derer ein Körper (ab)gebildet und gelesen wird.

 

In weiteren Versuchsaufbauten wurden Prinzipien des „Data Bending“ und „Glitch-Art“ als choreografisches Tool ausprobiert, um die Grenze zu erkunden, entlang derer sich Dinge nicht mehr vorhersehbar verhalten und Erwartungen entsprechend funktionieren.

„Glitched bodies pose a very real threat to social order: encrypted and unreadable within a strictly gendered worldview, they resist normative programming“ (Russell Legacy, Glitch Feminism, S. 85).

Der Zwischenstand wurde auf der Webseite von systemrhizoma sowie auf dem Blog des Dachverband Tanz veröffentlicht.